Kindheit und Jugend

Der Lauf des Lebens in Chrestonim

Folgt man dem Neuen Kult (und dies tut der Großteil der Einwohner Mradoshans), so ist das beginnende Leben eines jeden Gläubigen in drei große Abschnitte unterteilt, die mit verschiedenen Begriffen belegt werden: Niabana, Adalana und die Vorjhana.
Zu Beginn steht Niabana, die erste Phase des Lebens, die mit der Geburt beginnt und mit dem Erreichen des Siebten Lebensjahres endet. Sie gilt als heilig und schützenswert und Kinder diesen Alters, egal welcher Rasse sie angehören mögen, stehen in der Tat in allen Städten und Staaten, in denen der Neue Kult vertreten ist gar unter gesetzlichem und kirchlichem Schutz. So sind beispielsweise Tempel und Waisenhäuser dazu verpflichtet, Kinder in der Niabana aufzunehmen und zu versorgen.
Wächst das Kind aus der Niabana heraus, so tritt es in die Adalana ein, einer Phase des Lernens, wie von den Religionen gepredigt wird. Praktisch jedoch sollte man sie den Übergang in die harte Realität nennen, denn mit Erreichen der Adalana erlischt bereits die gesetzliche Verpflichtung der Gemeinschaften und Kirchen für das Kind - das heißt, dass beispielsweise Kinderarbeit nicht mehr von den neukultischen Gemeinden unterbunden werden muß, da keinerlei moralische Verpflichtung mehr besteht.
In der Tat haben es Kinder in Chrestonim nicht leicht: die Städte sind bervölkert und ein Leben ist entsprechend wenig wert. Die Löhne sind gerade zwischen Gilgat und der Hauptstadt der Allianz niedrig und so müssen in den Städten der Großteil der Kinder mit freigelassenen Sklaven, Einwanderern oder einfach Tagelöhner in oft mörderischem Kampf konkurrieren. Und da Kinder im allgemeinen weniger aufsässig und auch leichter einzuschüchtern sind, greift man allerorten gerne auf sie zurück. Moralisch kritisiert wird dies von kaum jemandem - schließlich sind die meisten Familien Chrestonims schlichtweg nur in der Lage zu überleben, wenn die Kinder wenigstens ihr eigenes Essen selbst verdienen. Dies ist der Alltag und wird generell als „normal“ angesehen. Dass da von Schulbildung keine Rede sei kann, ist selbstverständlich und so wurde der Begriff Adalana, der sich vom Chirjeya-Wort adelagi (lernen) ableitet auch von der Priesterkaste geprägt. Deren Kinder freilich (und auch die der beiden anderen hohen Kasten der Chirà) genießen jene Ausbildung, die dringend nötig ist, um die Aufgaben, die sie einst in der Kasten- und Clangemeinschaft ausüben sollen, auch erfüllen können.
Die Adalana endet mit dem Vollenden des dreizehnten Lebensjahres, gefolgt von der Vorjhana, die ebenso wie die beiden ersten Phasen des Lebens, sieben Jahre dauert, also bis zum Erreichen eines Alters von 21. Hier klaffen die Unterschiede zwischen Arm und Reich noch stärker auseinander: während die Armut und die harte Arbeit die Körper und Seelen der Armen für immer zeichnet, dürfen sich beispielsweise die Mitglieder der höheren Kasten hier ihrer Jugend erfreuen. Zwar steht immer noch die Ausbildung - sei es als Tempeldiener, Schriftgelehrter, Diplomat, Beamter oder Krieger - im Vordergrund, doch in der übrigbleibenden Freizeit läßt es sich leben wie nie zuvor.
Nach dem Ende der Vorjhana gilt die Chirà, der Mensch, Unuim oder Sragon (vorausgesetzt, sie teilen diese alte Sitte) als Erwachsen. Für die unteren Schichten ist dies freilich von geringer Bedeutung, beginnt doch für viele die Bitterkeit des Lebens bereits als Kind. So hat diese traditionelle Einteilung der ersten Lebensjahre ihre Anhänger fast ausschließlich (die Phase der Niabana ausgenommen) in den oberen Schichten und hier besonders bei den Chirà (ist der Übergang von einer Phase in die nächste doch stets mit einer verstärkten Übernahme von Verpflichtungen verbunden) und den wohlhabenderen Menschen, die gerne die Gelegenheit zum Feiern nutzen und insgesamt eine Leidenschaft für derartige Formalitäten zu haben scheinen.
Traditionell wird jeder Lebensabschnitt unter den Schutz einer Gottheit gestellt. Dies kann stets dieselbe Gottheit sein (was besonders bei Clans, die sich gänzlich einem Kult verschrieben haben üblich ist) oder aber wechseln. So ist es weit verbreitet, bei der Geburt dem Kind den Segen Mehdoras zu geben und auf ihren Schutz während der Niabana zu hoffen. Für die Adalana wählen die Eltern gerne eine Gottheit, die die Interessen des Kindes prägen sollen - bei Mitgliedern der Kriegerkaste also die Kriegsgöttin Endrakha, bei Handwerkern Kelida und so fort. Welchem Gott oder Göttin man sich für die Vorjhana verschreibt, liegt bereits in der Entscheidungsgewalt des Jugendlichen selbst, kann also nach seinen eigenen Interessen ausgewählt werden.
Nach der Vorjhana ist es übrigens nicht unüblich, eine weitere Bindung mit der gewünschten Kirche einzugehen, die jedoch bereits gesetzliche Grundlagen hat. So sind an den Tempel dann regelmäßige Spenden zu entrichten, jedoch kann man sich andererseits auf Fürsprache und Hilfe durch die jeweilige religiöse Gemeinschaft verlassen. Solch eine Bindung stellt die niedrigste und schwächste der möglichen religiösen Bindungen dar.