Scherenschnabel

Aus der "Cheleta jì vuela" des Naturforschers Kenan ap Lhazar

Der Scherenschnabel ist ein Nachtvogel. Sein Leib ist gestreckt, der Hals lang, der Kopf klein, der Flügel sehr lang, der Schwanz mittellang und gegabelt, der Schnabel, dessen unterer Abschnitt den oberen weit überragt ist unmittelbar von der Wurzel an so auffallend schmal, dabei aber hoch, daß er nur mit einer Schere verglichen werden kann. Der Fuß ist zwar ziemlich lang, aber dünn und schwächlich, zwischen den Vorderzehen ist eine tief ausgeschnittene Schwimmhaut eingefügt, das etwas lange, fettige Gefieder liegt dicht an.

Beim Scherenschnabel, dessen Verbreitung sich auf die Küsten Vobras und des südlichen Elùriyas beschränkt, sind Stirn, Gesicht, Schwanz und Unterseite sowie die Spitzen der großen Flügeldecken weiß, Oberkopf, Hinterhals Nacken und Mantel schwarzbraun. Die Iris ist dunkelbraun, der Schnabel orangegelb, der Unterschnabel heller, der Fuß korallenrot. Die Länge beträgt 45, die Breite 110, die Flügellänge 34, die Schwanzlänge 7 Clat.

Der Scherenschnabel fliegt zwar bei Tage ebenso gut wie bei Nacht, aber nur, wenn er aufgescheucht worden ist. Sonst liegt er bewegungslos auf Sandbänken, gewöhnlich platt auf dem Bauch, seltener auf den kleinen, schwächlichen Füßen stehend. Währenddem vernimmt man nicht einen einzigen Laut von ihm, sieht ihn auch selten eine Bewegung machen. Ich sah zwar einmal einen Scherenschnabel bei Tage Nahrung suchend, im allgemeinen wird er aber erst bei Sonnenuntergang, bei trübem Himmel auch schon am späten Nachmittag, lebendig, regt und reckt sich, hebt die Flügel, fängt an, hin und her zu trippeln und zu rufen. Nach Einbruch der Dunkelheit fliegt er in der Regel in kleinen Gesellschaften von vier bis fünf Stück auf Nahrung aus und sieht dann sehr groß aus. Von der fliegenden Gesellschaft hört man oft den eigentümlichen, mit Worten kaum widerzugebenden Ruf, der von dem eines jeden anderen mir bekannten Vogels völlig verschieden ist.

Unter langsamen, geräuschlosen Flügelschlägen gleitet er dicht über die Wasseroberfläche dahin, von Zeit zu Zeit die untere Schnabelhälfte lange eintauchend und so das Wasser pflügend; dabei nimmt er die auf der Oberfläche schwimmenden Insekten auf, die seine Hauptnahrung bilden. Kleine Fische mögen ebenfalls von ihm erbeutet werden. Ich konnte einmal beobachten, wie ein Scherenschabel im seichten Wasser ausgiebig nach Muscheln suchte. Sobald er eine gefunden hatte, stieß er seinen Unterschabel zwischen die klaffenden Schalen. Wenn die Muscheln sich schließen und so am Schnabel hängen bleiben, schüttelt er sie so lange hin und her, bis sie tot oder ermattet herabfallen, worauf er ihre Weichteile herauszieht.

Der Flug des Scherenschabels ist leicht und schön, aber insofern absonderlich, als die Flügel nicht sehr tief gesenkt werden dürfen, da sonst ihre Spitzen die Wasseroberfläche berühren würden. Der verhältnismäßig sehr lange Hals und der eigenartige, lange Schnabel ermöglichen ihm, seinen Körper auch beim Fischen noch einige Clat über der Oberfläche des Wasser zu tragen. Zum Schwimmen entschließt sich der Scherenschabel scheinbar nur im Notfalle, z.B. wenn er verwundet in das Wasser fällt.

In der Nähe von Vorovis fand ich einmal einen Brutplatz des Scherenschnabels. Eine große Anzahl von Vögeln, die platt auf einer großen sandigen Insel lagen, hatten mich dorthin gelockt, und ich wurde, als ich den Fuß ans Land setzte, so ängstlich umstreift, daß ich über die Ursache kaum im Zweifel bleiben konnte. Zu meiner lebhaften Freude traf ich auch nach kurzem Suchen auf die eben angefangenen oder schon vollendeten Nester, einfache, in den Sand gegrabene Vertiefungen, die insofern etwas Eigentümliches hatten, als von ihnen aus nach allen Richtungen hin Strahlen liefen, so fein, als ob sie mit dem Rücken eines Messers gezogen worden wären. Sie konnten natürlich nur von dem Unterschnabel unseres Vogels herrühren. Das Gelege besteht aus drei, höchstens vier Eiern von weißer oder gelblicher Grundfarbe. Später kehrte ich noch einmal zurück, um die jungen Burschen, die sehr langsam wachsen, zu besuchen.

Er war hernach höchst anziehend, zu sehen, wie das Heer der kleinen Scherenschnäbel, das ungefähr hundert Stück zählen mochte, vor mir recht eilig dahin rannte und, als er das Ende der Insel erreicht hatte, sich anschickte, fortzuschwimmen, während einige sich niederdrückten. Das Schwimmen verstanden sie aber nicht, wenigstens sanken sie sehr tief in das Wasser ein, einige mögen auch ertrunken sein.